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Grundlagen

Der Keimzelltumor des Hodens stellt den häufigsten bösartigen Tumor im frühen Erwachsenenalter dar. 7 bis 9/100 000 Männer in Österreich sind davon betroffen. Somit liegen wir im mitteleuropäischen und nordamerikanischen Durchschnitt, wohingegen das Auftreten in den südeuropäischen und asiatischen Ländern deutlich geringer ausfällt.

Betroffen sind vor allem Männer zwischen 18 und 35 Jahren, ein zweiter Altersgipfel liegt um die 55 Jahre.

 

Eindeutige Ursachen sind nicht bekannt, eine genetische Vorbelastung darf angenommen werden.

 

Symptome

Klinisch fällt eine Verhärtung des Hodens auf, die in der Regel schmerzlos ist. Der eindeutige Tastbefund wird dann durch einen ebenso typischen Ultraschallbefund erhärtet. Seltenst ist für die klinische Diagnostik eine Magnetresonanzuntersuchung des Hodens notwendig.

Weitere diagnostische Hilfsmittel sind sogenannte Tumormarker, die in den meisten Fällen erhöht sind, nämlich das beta-HCG und das AFP (alpha Fetoprotein), die unspezifische LDH, als Ausdruck der Tumorlast und in speziellen Fällen, nämlich beim Seminom, die humane plazentare alkalische Phosphatase (HPLAP). Dieser Marker ist beim Seminom öfter erhöht als das beta-HCG; wird allerdings durch das Rauchen beeinflusst.

Tumorarten

Das Seminom ist ein äußerst homogener und auch häufiger Tumor, der generell auch eine bessere Prognose zeigt, nicht zuletzt deswegen, weil er in über der Hälfte der Fälle organbegrenzt entdeckt wird.

Der Altersgipfel liegt höher als beim Nichtseminom und von den Tumormarkern ist lediglich das beta-HCG und die HPLAP erhöht. In fortgeschrittenen Fällen natürlich auch die ebenfalls prognostisch relevante LDH.

 

Das Nichtseminom kann aus einer oder mehreren verschiedenen feingeweblichen Spielarten bestehen, wie dem embryonalen Karzinom, dem Chorionkarzinom, dem Dottersacktumor oder dem reifen und unreifen Teratom, wie auch einigen seltenen Entdifferenzierungen. Zusätzlich zum beta-HCG und der LDH ist das AFP ein wichtiger Tumormarker.

 

Tumorstadium

Eine exakte Aufarbeitung der Tumorausdehnung setzt eine Computertomographie des Bauch- und Brustraumes voraus, in fortgeschrittenen Fällen sollte auch ein MRT des Schädels und eine Knochenszinitgraphie angeschlossen werden.

Die PET/CT Untersuchung ist in der Erstdiagnostik nicht Standard, kann aber in Einzelfällen die Therapieentscheidung erleichtern. Einen fixen Stellenwert hat die PET/CT allerdings zur Vorhersage der Histologie eines Resttumors nach Chemotherapie des fortgeschrittenen Seminoms.

 

Therapie

Tumor:

Tumorstadium:

Prognose:

Hodenkarzinom

lokal begrenzt

heilbar

Der erste therapeutische Schritt ist die operative Entfernung des befallenen Hodens von einem Leistenschnitt aus. Dieser kurze operative Eingriff wird oft durch eine Probeentnahme von Hodengewebe des gegenseitigen, nicht befallenen Organs vom Hodensack aus komplettiert. Hintergrund ist ein erhöhtes Risiko vorhandener Tumorvorstufen, die mit keiner Bildgebung entdeckt werden können. Die Therapie der Wahl ist bei Nachweis einer sogenanneten Testikulären Intraepithelialen Neoplasie (= TIN) die lokale Radiotherapie des zweiten Hodens.

Allerdings wird diese Ausdehnung der Operation ob ihrer Sinnhaftigkeit noch diskutiert und es existieren unterschiedliche Empfehlungen einzelner urologischer Organisationen.

 

In speziellen Fällen (bei Einzelhoden oder atrophierten Hoden) kann mit einer lediglichen Tumorentfernung das Auslangen gefunden werden, vorausgesetzt der Tumor ist klein, günstig gelegen und bei einer gegebenen Möglichkeit einer Nachbestrahlung des Tumorbettes.

Somit kann durch dieses organschonende Verfahren die Hormonproduktion oft aufrechterhalten werden.

Einen weiteren elementaren Schritt in der Diagnostik führt der Pathologe aus, indem er zwischen Seminom und Nichtseminom unterscheidet.

Im organbegrenzten Stadium wird heute sowohl beim Seminom als auch beim Nichtseminom mit entsprechender Markernegativierung nach Hodenentfernung die aktive Surveillance praktiziert.

Dies bedeutet eine engmaschige klinische Kontrolle in definierten Zeitintervallen ohne zusätzliche Therapie solange kein Tumorrezidiv auftritt.

Alternativ kann zur Hodenentfernung eine begleitende Strahlen- (ausschließlich beim Seminom) oder eine monozyklische Chemotherapie zur Verringerung des Rezidivrisikos angeboten werden.

Im angloamerikanischen Raum wird oft noch eine operative Entfernung der Lymphknoten im hinteren Bauchraum gleichzeitig zur verbesserten Diagnostik als auch zur adjuvanten Therapie angeboten, die allerdings wegen der erhöhten Nebenwirkungsrate in Europa kein Standardverfahren darstellt.

 

Fortgeschrittene Tumore

 

Tumor:

Tumorstadium:

Prognose:

Hodenkarzinom

organüberschreitend / metastasiert

häufig heilbar

Je nach Metastasierungsausmaß, Lokalisation des Erstbefundes und der erhöhten Tumormarker, werden im fortgeschrittenem Stadium 2 (beim Seminom) bzw.3 (beim Nichtseminom) Prognosegruppen unterteilt, die mit entsprechender Chemotherapie und Chirurgie Heilungsraten von über 90, 70 und knapp 50 Prozent aufweisen.

Neben dem Hoden selbst, kann der Keimzelltumor auch im hinteren Bauchraum oder im Raum zwischen beiden Lungenflügeln erstmals auftreten. Bei beiden letzteren sind die Hoden unauffällig.

Da der Hodentumor einen relativ klar definierten Lymphabflussweg zeigt, kann beim lediglich retroperitoneal  lymphogen metastasierten Seminom, das ein hohes Strahlenansprechen aufweist, die Radiotherapie als äußerst erfolgversprechende Therapieoption angewandt werden, wenn die Tumorvolumina zwischen 2 und 5 cm liegen.

Diese Therapieform kommt beim Nichtseminom nicht zur Anwendung.

Chemotherapie

Sämtliche anderen metastasierten Stadien des Seminoms und des Nichtseminoms sind die absolute Domäne der Polychemotherapie, die als Standardkombination das PEB Schema aufweist.

Drei Zyklen in der sogenannten „guten“  und vier Zyklen in der „intermediären“ und  „schlechten Prognosegruppe“ sind heutzutage Standard.

 

Der Vorteil für eine initiale Hochdosischemotherapie in der schlechten Prognosegruppe ist derzeit nicht bewiesen.

Als Alternative kann bei älteren bzw. Patienten mit Atemwegserkrankungen auf das PEI Schema zurückgegriffen und somit auf die Chemotherapiesubstanz Bleomycin verzichtet werden, um den Preis einer etwas höheren Nebenwirkung für das blutbildende System.

 

In sehr vielen Fällen kommt es unter der Chemotherapie zwar zur Tumorreduktion aber nicht zum gänzlichen Verschwinden der bösartigen Raumforderungen. Da aktive Tumorreste in knapp über der Hälfte der Fälle zurückbleiben können, wird die chirurgische Entfernung von sogenannten Residualtumoren unabhängig deren Lokalisation gefordert. Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit, ein Rezidiv zu erleiden relativ hoch. Eine Vorhersage ob eines aktiven Resttumors ist mit der herkömmlichen Bildgebung nicht exakt möglich, ausgenommen beim fortgeschrittenen reinem Seminom, das durch einen negativen FDG – PET/CT als tumorfrei eingeschätzt werden und man auf eine Zusatztherapie verzichten kann.

 

Tumor:

Tumorstadium:

Prognose:

Hodenkarzinom

organüberschreitend / metastasiert

Rezidiv

Ein neuerliches Auftreten des Tumors, entweder durch alleiniges Wiederansteigen des Tumormarkers oder kombiniert mit neu detektierbaren Raumforderungen zieht eine neuerliche, sogenannte Salvage-Chemotherapie nach sich, die in bestimmten Fällen auch in Form einer Hochdosischemotherapie mit Stammzelltransplantation zur Anwendung kommen kann.

 

Wiederum ist die chirurgische Eliminierung von Resttumoren nach einer Salvage- Therapie ein unverzichtbarer Bestandteil einer efffektiven Behandlung.

 

Nahezu knapp 90% der Rezidive treten in den ersten beiden Jahren nach Therapieabschluss auf. Die späteren Rezidive, auch „late relapses“ genannt, sind selten, haben aber oft auch eine schlechtere Prognose.

Die hervorragende Therapiemöglichkeit des Keimzelltumors hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Behandlungsintensitäten bei gleichbleibenden Heilungsraten, jedoch geringeren Nebenwirkungen reduziert werden konnten.

 

Diese Morbiditäten sind vor allem kardiovaskulärer Natur und manifestieren sich auch im Auftreten von Zweittumoren.

Ejakulationsstörungen sind vorwiegende Langzeitmorbiditäten nach chirurgischen Resttumorentfernungen im Bauchbereich.

 

Die Verringerung dieser Langzeitnebenwirkungen sind insofern unbedingt vonnöten, da diese Patienten wieder in das Arbeitsleben integriert werden können.

 

Weiterführendes

Hier sammeln wir Wissenswertes zum besprochenen Thema. Dieser Bereich wird auch laufend aktualisiert und erweitert.